Zwischen klassisch und progressiv | Tori Amos im Tempodrom

Eigenwillig und energisch wie gewohnt präsentierte sich Tori Amos am vergangenen Dienstag (11.10.2011) im Berliner Tempodrom, welches sie gleich zu Beginn des Konzerts als ihren weltweit liebsten Konzertsaal bezeichnete.

© Veronika Streit

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Das Vorprogramm bestritt an diesem Abend der Wahl-Londoner Mark Hole – „Mark with a K, Hole in the ground“ – wie er den Zuschauern nach etwa 30 Minuten verträumt-sympathischen Singer-Songwriter-Pops mitteilte und seinen Namen danach zur Sicherheit noch einmal komplett vom Publikum buchstabieren ließ. Dass sich seine Freundin von ihm trennte, kurz bevor er mit Tori Amos auf Welttournee ging, besang er im extra für diese Tour geschriebenen Song „Tori Tour“: „…’cause here I am on the Tori tour, pouring my heart just like before…“ So traurig – und doch so schön – klang seine Stimme dabei. Von diesem gewaltigen musikalischen Talent wird man in Zukunft sicherlich noch mehr zu hören bekommen.

Stimmlich überzeugen konnte auch Tori Amos – und nicht nur das: Ihr Spiel an Piano und Flügel (zeitweise sogar zeitgleich) war wie immer grandios. Unterstützt wurde sie vom Apollon Musagète Quartett, bestehend aus Paweł Zalejski und Bartosz Zachłod (Violinen), Piotr Szumieł (Viola) und Piotr Skweres (Violoncello). Die polnischen Musiker waren bereits im Juni mit Tori Amos in Cornwall/Großbritannien zusammengetroffen, um dort das aktuelle Album der US-Sängerin „Night Of Hunters“ einzuspielen.

© Veronika Streit

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Wer bei dieser Kombi am 11. Oktober eine rein klassische Darbietung erwartete, wurde allerdings enttäuscht, denn das Quartett spielte seine Instrumente wild und ungestüm, strich, zupfte und klopfte, was das Zeug hielt. Genau die richtige Begleitung für das Enfant terrible des Pop, das an diesem Abend nicht nur unheimlich viele Stücke vom neuen Album, sondern auch die Klassiker der ersten zwei Alben, wie beispielsweise „Silent All These Years“, „Winter“ und die „Crucify“-B-Seite  „Here. In My Head“ (alle vom Debütalbum „Little Earthquakes“) sowie „Pretty Good Year“, „Bells For Her“ und „Cloud On My Tongue“ (vom Folgealbum „Under The Pink“) spielte. Teilweise erwarteten die Fans hier auch neue Versionen, die dem Konzertrahmen angepasst waren. So kamen bei „Cloud On My Tongue“ und dem neueren „Girl Disappearing“ neben Tori Amos am Flügel auch die vier Streicher zum Einsatz. Extrem mitreißend war die vom Apollon Musagète Quartett unterstützte Version von „Cruel“ (aus dem 1998er Album „From The Choirgirl Hotel“), welche vor allem durch das aparte Spiel Piotr Skweres‘ absolut elektrisierend wirkte und den Künstlern am Ende Standing Ovations des Publikums einbrachte. Als die Zuschauer schließlich begeistert nach vorn an den Bühnenrand stürzten und der rothaarigen Popdiva ihre Hände entgegenstreckten, schüttelte diese sie bereitwillig, bevor sie tippelnd die Bühne verließ.

© Veronika Streit

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Ihre Zugabe leitete Tori Amos mit „Your Ghost“ ein. Danach holte sie noch Andreas Ottensamer von den Berliner Philharmonikern auf die Bühne, welcher auf „Night Of Hunters“ die Klarinetten-Parts eingespielt hatte und an diesem Abend bei einem eigenen Stück von ihr auf dem Bösendorfer-Flügel begleitet wurde. Danach unterstützten die Streicher sie noch bei „Carry“, dem letzten Stück des aktuellen Albums, und der ersten Single aus Tori Amos‘ 2007er Albums „American Doll Posse“: „Big Wheel“.

Alles in allem ein beeindruckendes Konzert – auch optisch, denn das wallende, türkisfarbene Kleid, welches Tori Amos mit unheimlich hohen Silettos kombinierte, wirkte vor den in langen Stoffbahnen herunterhängenden, sternengemusterten Vorhängen und dem einsam von der Decke baumelnden Kronenleuchter genauso nonkonform wie seine Trägerin.

Veronika Streit

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