Rainald Grebes Wahlkampf-Theater | Neue Termine für „Völker, schaut auf diese Stadt!“

Rainald Grebe – sonst bekannt als kabarettistischer Liedermacher und Sänger – kehrt zurück zu seinen Wurzeln und widmet sich seit 31.8. und noch bis zum 29.10. der Schauspielerei. Im Berliner Maxim-Gorki-Theater hat er seine geheime Wahlkampfbeobachtungszentrale eingerichtet und informiert die Zuschauer über Sinn und Unsinn von Parteiprogrammen, Wahlwerbung und Wutbürgertum.

© Hauptstadtstudio.com

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„Ihr Völker der Welt, ihr Völker in Amerika, in England, in Frankreich, in Italien! Schaut auf diese Stadt und erkennt, dass ihr diese Stadt und dieses Volk nicht preisgeben dürft und nicht preisgeben könnt!“, beschwor der Sozialdemokrat Ernst Reuter am 9. September 1948 die westliche Welt in seiner Rede vor dem Reichstag.

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Beschwörend wirkte am Mittwoch, dem 31.8.2011, auch der anfangs als Investigativjournalist Günter Wallraff verkleidete Rainald Grebe, als er die unterirdische Wahlkampfbeobachtungszentrale – ein heruntergekommenes Kellerloch mitten in Berlin – durch die kleine Luke auf der rechten Seite der Bühne des Maxim-Gorki-Theaters betrat. Zusammen mit Sabine Waibel, Wilhelm Eilers und Hans Krüger, welche die Zuschauer zunächst mit nüchternen Fakten über die bisherigen Berliner Bürgermeister, Parteien, Wahlkreise und Ergebnisse der letzten Wahl bombardierten, versuchte Rainald Grebe, Licht ins Dunkel der Berliner Politiklandschaft zu bringen. Hilfe hat er dafür im Vorfeld vom stadtbekannten Tagesspiegel-Journalisten Lucas Vogelsang bekommen, der der Keller-Truppe über 800 im Wahlkampf geführte Interviews zur Verfügung gestellt hatte. Einige davon stellten Eilers und Krüger im Verlaufe des Abends mithilfe von Pappmaché-Puppen nach. Auch Grebe selbst ist ausgebildeter Puppenspieler.

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Die einzelnen Szenen des Theaterstücks wirkten teils unfassbar, teils bizarr. Regisseur Grebe verstand es in jedem Fall, sie geschickt miteinander in Kontrast zu setzen. So lauschte der Besucher zuerst ungläubig dem bewusst als Persiflage auf die Programme der großen Parteien aufgesetzten Wahlprogramm der Anarchistischen Pogo-Partei Deutschlands (APPD), in dem diese u.a. fordert, „dass Verkaufs-Automaten tiefer gehängt werden“, da diese für behinderte Mitbürger oft nicht erreichbar seien und somit u.a. deren Recht auf Rausch einschränkten. Wenig später zitierte Wilhelm Eilers dann aber die wohl schwülstigsten Passagen aus Wowereits Biographie „…und das ist auch gut so. Mein Leben für die Politik“ – musikalisch passend von Grebe am Klavier begleitet, nur um im Anschluss beim Zuschauer erneut fassungsloses Kopfschütteln zu verursachen, als Sabine Waibel die völlig sinnentleerte Original-Nominierungsrede der Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast vorlas.

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Reizvoll wirkte das Theaterstück aber nicht nur durch seine verbalen Inhalte und gewollt harten Kontraste, sondern auch durch kleine, aber feine Details in der Bühnendeko, welche den Zuschauer immer wieder schmunzeln ließen: Da war zum Beispiel die „Mutti“-Tasse auf Rainald Grebes Schreibtisch oder das Eisbärenfell, über das Hans Krüger – in Anlehnung an Freddie Frinton in „Dinner For One“ – während des Stücks immer wieder stolperte.

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Auf die Frage, welchem Kandidaten bzw. welcher Partei man bei den Senatswahlen am 18. September seine Stimme geben sollte, bekam man schlussendlich keine Antwort. Das war laut Grebe aber auch nicht die Intention des Stücks; vielmehr wollte er mit der Aufführung Missstände aufzeigen, Denkanstöße geben, aber auch diejenigen würdigen, die sich tagtäglich und unermüdlich für ihren Kiez einsetzen.

Das Bühnenstück sollte ursprünglich nur bis zum 18. September – dem Wahlsonntag – aufgeführt werden. Aufgrund der hohen Nachfrage wurden aber nun drei weitere Termine im Oktober hinzugefügt, für die noch Karten erhältlich sind. Tickets für die Vorstellungen am 6., 14. und 29.10. sind auf der Webseite des Maxim-Gorki-Theaters oder an der Abendkasse erhältlich.

Veronika Streit

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