Citadel Music Festival – Roxette & Bryan Adams in der Zitadelle Spandau!

Es war das Wochenende der 90er Jahre Poprock-Legenden. Roxette und Bryan Adams bewiesen am 11. und 12. Juni nicht nur, dass sie ein Open-Air-Gelände locker mit 11.000 Leuten füllen können, sondern auch, dass sie selbst im Alter von mittlerweile über 50 Jahren noch genügend Power besitzen, um das Publikum in der Spandauer Zitadelle rund zwei Stunden lang in Atem zu halten.

© Veronika Streit

© Veronika Streit

Trinity Music holt im Rahmen des Citadel Music Festival seit nunmehr sechs Jahren jeden Sommer die bekanntesten Größen des Musikbiz auf die Freilichtbühne der Zitadelle Spandau. Dieses Jahr startete die Festivalsaison Ende Mai mit einem Konzert von Marianne Faithfull. Anfang Juni folgten Mando Diao und Thees Uhlmann sowie 3 Doors Down und Alter Bridge. Den vorläufigen Höhepunkt erreichte das Citadel Music Festival aber am vergangenen Pfingstwochenende mit den ausverkauften Konzerten von Roxette und Bryan Adams.

Als Roxette Ende letzten Jahres bekannt gaben, dass ihre “Back With Their Greatest Hits!”-Tour sie im Sommer 2011 auch nach Deutschland führen würde, war der Jubel bei den Fans groß. Erste Station auf deutschem Boden sollte Berlin sein, und so kam es, dass man das schwedische Pop-Duo, das dieses Jahr sein 25-jähriges Band-Jubiläum feiert, am Samstagabend live in der Zitadelle Spandau erleben durfte. Wer pünktlich zum Einlass um 17:30 Uhr vor Ort war, ersparte sich die Warterei im Regen und konnte sich dennoch gute Plätze in Bühnennähe sichern. Von Schubsen und Gedränge keine Spur. Der Altersdurchschnitt der Zuschauer machte deutlich, dass zweieinhalb Jahrzehnte auch an der Fangemeinde nicht spurlos vorbeigezogen sind. Wo früher kreischende Teenies um die begehrten Plätze in der ersten Reihe kämpften, sah man am 11. Juni 30- bis 40-jährige Pärchen und ganze Familien-Clans: Mutti, Vati, Sohn und Tochter trugen die neuesten Roxette-Tour-T-Shirts. Eine entspannte Atmosphäre unter blauem Himmel!

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Die Wartezeit konnte man sich mit einem kühlen Bier und dem einen oder anderen Snack vertreiben. Getränke- und Esszelte ließen dabei keine Wünsche offen: Ob frische Brezeln, Crêpes oder überbackene Baguettes – hungern musste hier niemand. Als dann gegen 20 Uhr der belgische Support Act Ozark Henry barfuß die Bühne betrat, hatte man zunächst das Gefühl, die Diskrepanz zwischen dessen anspruchsvollen Klangkompositionen – Ozark Henry ist in seinem Heimatland Belgien ein gefeierter Sänger, Komponist und Songwriter – und der Jahrmarktstimmung im Publikum könne größer nicht sein. Vielleicht hätte der Belgier besser daran getan, den Anwesenden etwas mehr über sich, seine Band oder die Lieder, die er sang, zu erzählen, doch leider entschied er sich stattdessen dafür, seine Setlist kommentarlos herunterzuspielen und nach jedem Song „Cheers“ zu rufen. So verwirkte er seine Chance, die Neugier des Publikums auf seine melodiösen und durchaus gut arrangierten Songs zu wecken.

Das Publikum wollte indessen wohl eh nur eins – seine Idole auf der Bühne sehen und ihre großen Hits von den späten 80ern bis Ende der 90er mitträllern. Das konnte es dann auch, als Marie Fredriksson und Per Gessle zusammen mit ihrer Band – ganz unspektakulär, d.h. ohne episches Intro, grelles Scheinwerferlicht und Kunstnebel – um kurz vor neun fröhlich grinsend die Bühne betraten. Mit „Dressed For Succes“ legten die Schweden los, und das Publikum fing sofort Feuer. Von „Sleeping In My Car“ über „Dangerous“, „How Do You Do“ und die aktuelle Ohrwurm-Single „She’s Got Nothing On (But The Radio)“, die ganz im alten Roxette-Stil eindeutig zweideutig zu verstehen ist, spielten Roxette all ihre großen Hits und natürlich auch ein paar Songs vom brandaktuellen Album „Charm School“. Bei „Joyride“ wurde das Publikum mit einer Luftballon-Fontäne überrascht, die die Stimmung zum Ende hin noch mehr anheizte; und selbstverständlich fehlte es auch nicht an nostalgisch-melancholischen Balladen wie „It Must Have Been Love“ und „Spending My Time“. Letztere sang Marie zusammen mit den Fans, die auch knapp 20 Jahre, nachdem dieser Song in den deutschen Top Ten landete, noch hundertprozentig textsicher waren. Sicher vermisste man hier und da einen Klassiker wie „Vulnerable“, „Crash! Boom! Bang!“ oder „June Afternoon“ (der nun wirklich gut gepasst hätte), aber kein Konzert geht ewig, und wer sich im Vorfeld ein bisschen informiert hatte, wusste, dass es eigentlich überhaupt an ein Wunder grenzte, Marie und Per noch einmal live zusammen auf einer Bühne stehen zu sehen. Nachdem die zierliche Roxette-Sängerin ihre Karriere vor knapp 10 Jahren wegen eines Hirn-Tumors hatte beenden müssen, glaubte niemand mehr ernsthaft daran, dass sie jemals wieder singen geschweige denn eine Bühne betreten würde. Doch Marie kämpfte und überwand die Krankheit, machte weiter Musik und stand 2009 zum ersten Mal wieder mit Per im Scheinwerferlicht. Natürlich wirken ihre Bewegingen noch immer unsicher und stark verlangsamt, aber die wahren Roxette-Fans wissen, dass sich Maries Bühnenpräsenz seit ihrem ersten Auftritt in Amsterdam bis heute enorm gesteigert hat – zumal Per dafür doppelt so wild über das Podium fegt und mit seinen typischen Rocker-Moves jedes Klischee einer 90ies-Poprock-Band erfüllt. Als Zugabe gab’s das wunderschöne „Church Of Your Heart“ und ganz am Ende noch ein farbenfrohes Feuerwerk, das den Anwesenden erstaunte „Ohs“ und „Ahs“ entlockte.

Wer nach diesem Abend voller Nostalgie an unschuldige Küsse mit der ersten Jugendliebe oder heiße „Undress you“-Momente auf dem Rücksitz seines Golf III zurückdachte, der mochte in Versuchung geraten sein, am Pfingstsonntag gleich noch einmal in die Zitadelle zu pilgern, denn niemand Geringeres als der Schmuserock-Barde Bryan Adams hatte sich für diesen Abend angekündigt. Doch zunächst versüßten die Wahl-Berliner Martin & James, zwei waschechte Schotten aus Glasgow, den Zuschauern die Wartezeit mit wunderschönen Gitarrenakustik-Popsongs; und man kann ohne falsche Lobhudeleien sagen, dass Martin Kelly mit seiner Hammerstimme auch einen Bryan Adams hätte doubeln können. Stattdessen coverte er zusammen mit seinem Bandkumpel James O’Neill die Everly Brothers, was nicht minder gut ankam und Lust auf mehr machte. Mehr konnte man im Anschluss an das Konzert übrigens am Merchandise-Stand bekommen, wo das Duo sein aktuelles Selftitled-Album verkaufte und sogar handsignierte.

Nach dieser sanften Aufwärmung krachte Bryan Adams‘ Opener „House Arrest“ umso mehr. Mit seiner Stamm-Band, bestehend aus Lead-Gitarrist Keith Scott, Schlagzeuger Mickey Curry, Bassist Norm Fisher und Keyboarder Gary Breit, stürmte der Kanadier um Viertel nach acht die Open-Air-Bühne im Innenhof der Zitadelle und verbreitete sofort Mitsing-, Mithüpf-, Mitklatsch- und Mitjubelstimmung. Nach eigener Aussage spielte er „basically everything I can remember from the past years“ und sorgte damit nicht zum ersten Mal an diesem Abend für Gelächter. Zwischen den großen Rock-Klassikern „Summer of ’69“, „Run To You“, „18 Till I Die“ und „The Only Thing That Looks Good On Me Is You“ blieb dabei immer wieder Zeit zum Träumen bei epischen Balladen wie „Please Forgive Me“, „Heaven“ und „(Everything I Do) I Do It For You“. Selbst die Duette „It’s Only Love“ (im Original mit Tina Turner) und „When You’re Gone“ (feat. Melanie C.) fehlten nicht im Best-Of-Programm. Bei „When You’re Gone“ holte sich Bryan Adams sogar eigens weibliche Verstärkung aus dem Publikum. Jo-Anne aus Kleinmachnow (an dieser Stelle ein großes Lob an Bryans Aussprache dieses doch recht schwierig zu artikulierenden Berliner Vororts) durfte ein Lied lang in die Haut von Ex-Spice Girl Mel C schlüpfen und ihr Rock-Idol gesanglich auf der Bühne unterstützen. Das tat sie so gut, dass Bryan ihr und ihren Freunden am Ende einen ganzen Packen T-Shirts schenkte. Doppeltes Glück für die Randberlinerin! Die Fans gönnten es ihr. Überhaupt die Fans – sie waren an diesem Abend im Durchschnitt noch ein Tick älter als am Vorabend, wussten dafür aber auch noch ein Tick mehr abzurocken. Vielleicht war es die Videoleinwand, die auch die Zuschauer in den letzten Reihen noch sehen ließ, was sich da vorne genau abspielte, vielleicht waren es aber auch die vier protzig nebeneinander thronenden Marshall-Verstärker, die selbst die auf der Akustikgitarre vorgetragene Zugabe noch bis in die hinterste Ecke der Zitadelle zu tragen vermochten. In jedem Fall war es eine Hammer-Show, Bryan Adams auch ohne neues Album ein Hammer-Entertainer und das Wochenende… nun ja… der Oberhammer – wenn man ein Kind der 80er oder 90er ist.

Veronika Streit

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