Berlin sucht seine Mitte

Am 17.12.2009 stellte Berlins Senatsbaudirektorin Regula Lüscher im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung fünf Entwürfe für die Neugestaltung des Marx-Engels Forums vor. Das Marienviertel bzw. Rathausforum, wie es zukünftig genannt werden sollte, zwischen Humboldt-Forum und Fernsehturm wird nach dem Wiederaufbau des Stadtschlosses den Abschluss der neu gestalteten urbanen Mitte Berlins bilden.

© Rainer Sturm / pixelio.de

Die mediale Reaktion war – gelinde gesagt – vernichtend. Das Urteil reicht von niveaulos über absurd bis stadtfeindlich. Die Kritik war so heftig, dass die Baseler Zeitung  gar nationalistische Gründe für die Abneigung gegenüber der Schweizerin Lüscher vermutete.

Fünf Vorschläge

Der erste vorgestellte Plan sieht vor, den gesamten Raum zu pflastern und modernen Arkaden zu umgeben.  Der Platz sollte eine städtische Bühne darstellen und als zentraler Ort für öffentliche Großveranstaltungen dienen. Die riesige planierte Fläche des Entwurfes erweckt dabei jedoch den Anschein eines sozialistischen Aufmarschplatzes. Das 14 Hektar  große Areal würde sogar den Roten Platz in Moskau in den Schatten stellen.

Auch Vision zwei sieht die Planierung des Platzes vor. Allerdings wird die Esplanade nicht von Arkaden au Beton umrahmt, sondern von langestreckten Baumreihen flankiert.

Deutlich mehr Natur haben die Entwürfe drei und vier zu bieten. Im Archäologische Garten verbindet eine Parklandschaft mit Ausgrabungen des historischen Stadtkerns von Berlin.

Noch einen Schritt weiter geht der Vorschlag, einen Stadtpark im eh schon an Parks und Grünflächen vergleichsweise reichen Berlin zu errichten – das Rathausforum in Mitte als kleines Pendant zum Tiergarten.

Der radikalste und wohl auch kontroverseste Entwurf will jedoch den Alexanderplatz in ein Hafengelände verwandeln. Durch Aushebung eines gewaltigen Hafenbeckens würde die Spree bis an den Fernsehturm heranrücken, und eine völlig neue Uferanlage entlang des Rathauses und der Marienkirche entstehen.

Das Hauptargument der Kritiker lautet: allen Entwürfen ist ein in gewisser Weise stadtfremder Charakter gemein. Mal sind es betonierte Brachen, die zum Flanieren einladen sollten, mal die Rüchgewinnung von Natur mitten in der Stadt. Keiner der Entwürfe sieht den Bau von Gebäuden oder Straßen vor. Eigentlich möchte man meinen, davon gäbe es eh bereits genug in einer so großen Stadt wie Berlin. Recht überzeugend wirken die Vorschläge jedoch nicht. Braucht es einen zweiten Tiergarten oder einen Riesenparkplatz für Massenkundgebungen? Sind wirklich 14 Hektar für die Ausstellung archäologischer Fundstücke nötig? Und sollte der Fernsehturm wirklich zum Leutturm für  Boote, die am  neuen Rathauskai anlegen, umfunktioniert werden? Auch lässt keiner der Entwürfe die urbane Tradition des Marienviertels wieder aufleben. Während Dom, restaurierte Museumsinsel und rekonstruiertes Stadtschloss auf der einen, Rathaus und Fernsehturm auf der anderen Seite Berlins Mitte ein prägendes Gesicht geben, wollen die zuletzt vorgestellten Architektenphantasien eine neue Lücke in die Stadt reissen.

Baubeginn 2017

Bei all der Kritik kann man froh darüber sein, dass die vorgestellten Entwürfe lediglich erste Visionen darstellen und nicht  schon die endgültigen Kandidaten eines Architekturwettbewerbes sind. Die Ausschreibung für die endgültigen Pläne sollte 2012 folgen. Die Umgestaltung des Rathausforums wird aller Voraussicht nach nicht vor dem Jahr 2017 beginnen, wenn die Baumaßnahmen am Stadtschloss und die Verlängerung der U5 vom Brandenburger Tor zum Alexanderplatz abgeschlossen sind.

Martin Schlereth (mit Bildmaterial von pixelio.de)

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