Kuschelndes Kamel vs. knutschender Pinguin | Rainald Grebe – Jubiläumskonzert in der Waldbühne

Im April ist er 40 geworden – der Sänger und Komiker Rainald Grebe. Zu diesem Anlass lud er am vergangenen Samstag, dem 18. Juni 2011, Fans, Freunde und Familie in die Berliner Waldbühne ein. Bereits im Voraus kündigte er ein Spektakel der ganz besonderen Art an – auf einem großen Schimmel wolle er einreiten, exotische Tiere, über 100 Künstler und Statisten sowie ein einzigartiges Feuerwerk in die Show einbinden… und insgeheim hoffte er, die Ränge der Waldbühne mit mehr Zuschauern füllen zu können als Elton John, welcher am selben Abend in der O2 World gastierte.

© Veronika Streit

© Veronika Streit

All das ist ihm gelungen – auf seine Art! Auf einer riesigen Videoleinwand konnten die Zuschauer um Punkt 20 Uhr mitverfolgen, wie Rainald Grebe mit Müh und Not den Eisenhüttenstädter Schimmel Joe bestieg und mit ihm in Richtung Waldbühne trabte. Joe scheute, das Publikum freute sich über die mühseligen Versuche des 40-jährigen, den Wallach zu bändigen. Schadenfreude – schönste Freude! Das dachte sich wohl auch Rainald Grebe, als er mit verkniffenem Lächeln die etwa 16.000 Zuschauer in der Waldbühne willkommen hieß und nicht ohne Stolz verkündete, dass der „dicke, alte Engländer“ in diesem Moment nur etwa halb so viele Fans in der O2-Arena begrüßen durfte. Natürlich ließ Rainald es sich da nicht nehmen, seine orange-gelbe Elton-John-Gedenkbrille aufzusetzen und am Keyboard ein paar Takte von „Candle In The Wind“ zu spielen.

Danach wollte er dann aber erst einmal Leserbriefe vertonen, Volkslieder singen, Flüsse loben (außer den Rhein – „der hat schon so viel Lob abbekommen“) und zwischendurch immer wieder Pöbel-Parolen ins Publikum grölen („Was ist grün und stinkt nach Fisch? – Werder Bremen!“), um auch ja „massenkompatibel“ zu bleiben. Schmutzig-schmunzelig, schadenfroh und immer an der Grenze zur Geschmacklosigkeit – so kennt man ihn… und so liebt man ihn. Seine Exfreundinnen können wahrscheinlich ein Lied davon singen. Bei Dörte allerdings war es Rainald selbst, der ihr ein komplettes Lied widmete: „Dörte, du bist der Ausweg aus der Spaßgesellschaft“, sang das Publikum verzückt mit.

Nach Dörte musste dann auch unser Bundespräsident dran glauben. „Der Präsident“ beschreibt sehr bildlich einen Tag in dessen Leben – vom Fährentaufen über die Einweihung eines Krötentunnels bis hin zum Grußwort an Hartz-IV-Empfänger („Sie halten sich für überflüssig – es geht mir da ganz ähnlich.). Tja, selbst dran Schuld, Herr Wulff! Der zog es nämlich vor, den Abend mit seiner Frau in der O2 World zu verbringen. Übrigens ganz im Gegensatz zu Herrn Wowereit, der sich – völlig zu Recht – für das Konzert in der Waldbühne entschied.

Es folgten Lieder übers Angeln, das 20. Jahrhundert, als Rainald Grebe noch jung war, Holzspielzeug und Biofeuerwerk im Prenzlauer Berg sowie Sushi essende 30-jährige Pärchen. „Bleibt zusammen, auch wenn’s die Hölle ist!“, propagierte Rainald Grebe anschließend aus Klimaschutzgründen – schließlich produzieren zwei Kühlschränke mehr CO2 als einer.

Dass seine Lieder immer alltagsinspiriert sind und er ein wirklich exzellenter Beobachter seines eigenen sowie des Alltags seiner Mitmenschen ist, merkte man bei den Liedern seines neuen Albums „Zurück zur Natur“, das man am Samstag in der Waldbühne bereits zweieinhalb Monate vor dem offiziellen Veröffentlichungstermin am 2. September erwerben konnte. In „Aufs Land“ fragte sich Rainald Grebe, was das Leben in der Großstadt ausmacht (Anonymität und extrem viel Auswahl – „Die Plakate von heute sind heut’ schon überklebt“), woraufhin er beschloss auszusteigen und aufs Land zu ziehen („du, ich, und der Sitzrasenmäher“), nur um dann festzustellen, dass er doch lieber wieder Anonymität und extrem viel Auswahl hätte (denn „Hier hängen noch Plakate von der Schaumparty 2007 – sind einfach hängen geblieben“). Tatsächlich ist Rainald Grebe zusammen mit seiner Freundin (nein, nicht Dörte!) seit einigen Monaten ernsthaft auf der Suche nach einem Gehöft in Brandenburg und beschreibt in „Aufs Land“ den immerwährenden Zwiespalt, in dem er steckt, wenn er sich zwischen Land- und Großstadtleben hin- und hergerissen fühlt.

Kurz vor der Pause gab’s noch Besuch aus Bremen – ein Zeitzeuge sollte den Zuschauern beschreiben, wie die Waldbühne 1965 während des Konzerts der Rolling Stones zerlegt worden ist, und dieser wollte die Anwesenden auch gleich dazu animieren, es den Fans von damals gleich zu tun. Der kleinwüchsige Mann ist eigentlich ein alter Kollege Rainald Grebes vom Jenaer Theater und hat ihn bereits bei früheren Bühnenprogrammen, z.B. in der „WildeWeiteWeltschau“ als Darsteller unterstützt.

Überhaupt fällt auf, dass die Basisbesetzung bei Grebes Konzerten seit Jahren stabil ist. Die Kapelle der Versöhnung wechselt zwar je nach Programm und Location immer mal wieder ihren Namen (in der Waldbühne trat sie selbstverständlich als Waldbühnenorchester auf), doch besteht sie seit eh und je aus Schlagzeuger Martin Brauer, der gerne mal weiße Kaninchen raucht, und Gitarrist Marcus Baumgart. Als „Orchester der Versöhnung“ werden die beiden noch verstärkt durch Organist Buddy Casino, Bassist Serge Radke und den Jenaer DJ Smoking Joe. Auf der Waldbühne wurden sie außerdem durch Streicher, das Blasorchester der Bolschewistischen Kurkapelle, den Berliner Gropius Chor, die Gropies Berlin sowie den Chor der Gustav-Heinemann-Oberschule unterstützt. Sie alle sorgten bereits im Vorprogramm zwischen Boxkampf (mit Boxern des TSC Berlin) und Einmarsch der Turnerinnen des Olympischen Sport-Clubs Berlin für Volksfeststimmung und La-Ola-Wellen in der Waldbühne und gestalteten auch das anschließende Konzert bis zum Ende mit. Weitere „Special Guests“ an diesem Abend waren Yusuf, das Kamel, der Holzfeuerwerker Hans Krüger und – zur Pausenüberbrückung – der berühmte Puppenspieler René Marik mit seinen nicht weniger berühmten Puppen, dem frechen Frosch, der auf den Namen Herr Falkenhorst hört, Eisbär Kalle und natürlich „de Maulwurf’n“.

Nach der Pause, in der Rainald kurz verschnaufen konnte, setzte er sich kurzerhand eine goldene Krone auf und fand es „schön, von oben runterzuseh’n“ – auf seine 16.000 Untertanen nämlich, die ihm begeistert zujubelten. Vom König zum „Diktator der Herzen“ war es da nicht weit. Provokativ-sympathisch sang Rainald Grebe über das Scheitern von Wüstendemokratien, „weil bei 40 Grad im Schatten keiner ins Plenum geht“; doch dann wurde er plötzlich nostalgisch und auch ein bisschen ernst, setzte seine Offiziersmütze ab und erinnerte sich an das letzte Jahrtausend, an die 90er Jahre, als das Wetter noch kein Klima war und es den Eisbären prima ging. Geradezu nachdenklich wurde er da und bot im Anschluss mit „Mann ohne Gefühle“ und „Familie Gold“ nicht nur einen kurzen Einblick in sein frühes Werk, sondern auch in sein Privatleben. Da wurden Kinder- und Familienfotos gezeigt, und es wurde heftig mit der als Pinguin verkleideten Frau Grebe in spe geknutscht.

Das Gejohle war groß, und die Ersten holten bereits ihre Feuerzeuge heraus. Die brauchten sie auch, denn im letzten Teil des Konzerts lief der Jubilar beim Singen aller fünf Länder-Hymnen noch einmal zu Höchstform auf. Vom verarmten Mecklenburg arbeitete er sich über Sachsen-Anhalt, das Land der Frühaufsteher, und das sonnige Sachsen ins grüne Herz Deutschlands nach Thüringen vor und bat die jeweils Anwesenden aus den genannten Bundesländern, ihre mitgebrachten Leuchtelemente hervorzuholen. Daraufhin verwandelte sich die Waldbühne in ein bunt blinkendes Lichtermeer, in dem Taschenlampen, Wunderkerzen und Knicklichter schunkelnd durch die Luft geschwenkt wurden. Im pompös-pathetischen Finale ließ Rainald Grebe es sich dann nicht nehmen, zum „Halleluja Berlin“-Refrain von „Brandenburg“ zwei riesige Berlin-Stoffbanner von der Decke herabfallen zu lassen und den Abend mit einem Holz-, sprich: Biofeuerwerk, standesgemäß ausklingen zu lassen. Da kam noch einmal ordentlich Stimmung auf; und auch wenn’s in der Zwischenzeit recht kühl geworden war, so hatte es der Meister mit seiner dreistündigen Jubiläumsshow doch zweifelsohne geschafft, die Menge zum Kochen zu bringen und seine Anhängerschar am Ende mit lauter absurd-spaßigen Ohrwürmern ins warme Bettchen zu schicken.

Veronika Streit

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