Mark Scheibe verwandelt Berliner Wintergarten in eine Wilde Bühne

Mark Scheibe als musikalischen Tausendsassa und Hans Dampf in allen Gassen zu bezeichnen, ist wahrlich nicht übertrieben. Er hat für Theater, Funk und Fernsehen gearbeitet und mit zahlreichen Stars wie MIA, Rainald Grebe oder auch den Kessler-Zwillingen gespielt oder für sie komponiert. Nun wagt er sich auch noch ans Varieté. Bis zum 29. Januar 2011 macht er aus dem Berliner Wintergarten seine wilde Bühne.

[singlepic id=1580 w=550 h=412 float=center]Vor Showbeginn stimmt niemand anderes als die Kanzlerin Angela Merkel „höchstpersönlich“ per Videobotschaft auf das Kommende ein. Ihr Motto lautet: „Lebe wild und gefährlich!“ Und wild wird der Abend wirklich. Da ist es kein Wunder, dass dem Gastgeber Mark Scheibe die Bühne fast zu klein wird, und er ab und an auch mal ins Publikum ausweicht. Generell werden die Besucher  in das Treiben mit einbezogen. Doch keine Angst: kein Zuschauer wird auf die Bühne gezerrt, um sich bei peinlichen Nummern der Lächerlichkeit preiszugeben. Vielmehr lässt sich Scheibe von seinem Publikum inspirieren. So wird aus einer Ansammlung wahllos aus dem Publikum zugerufener Begriffe, beispielsweise ein individueller Song über unbescholtene Regenwürmer im LSD-Rausch. Am Premierenabend ergaben die im Publikum gesammelten Textfragmente laut Ansage des selbsternannten „Piano-Mentalisten“ Scheibe ein Lied im „Bert-Brecht-Style“, welches aber auch Anleihen aus der Countrymusik nimmt um sich schließlich in Avantgarde zu ergeben. Alles klar?

Piano-Mentalist mit Sturmfrisur

[singlepic id=1607 w=320 h=240 float=right]Wenn Scheibe nicht improvisiert, singt er unter anderem vom Leben in Berlin. Die Stadt ist bei ihm ein „wildes, ungezähmtes Tier“, eine Stadt der brennenden Autos und des vergänglichen Rausches. Auch ruhige Liebeslieder der etwas anderen Art gehören zu seinem Repertoir. Welche Frau will schon angeschmachtet werden mit einem dahingesäuselten „Du bist so schön, wenn ich besoffen bin“? Doch zumeist hetzt Mark Scheibe über die Bühne oder wirbelt an seinem Bechstein-Flügel. Es hält ihn kaum einmal für 10 Sekunden auf seinem Pianohocker; schon gar nicht, wenn er im NDW-Stil über ein „schickes Höschen“ singt.

[singlepic id=1601 w=320 h=240 float=left]Mark Scheibe führt mal mehr mal weniger klassisch als Conférencier durch den Abend und wechselt seine Musikstücke, unterstützt von einem fantastischen 12-köpfigen Orchester, mit den Darbietungen seiner bunten Truppe ab, welcher er natürlich auch musikalisch begleitet. Zwischendurch erscheint immer wieder die wunderbar verschmitzt untertänige Gestalt des meist stummen Butlers Antoine, dargestellt von Gilles Le Leuche. Doch einmal losgelassen, entfesselt der schweigsame Diener zu den Klängen von Richard Strauss‘ Kaiserwalzer ein virtuoses Feuerwerk am Diabolo.

Da Mark Scheibe mit seiner Wilden Bühne noch bis zum 29. Januar fast täglich im Wintergarten läuft, gilt es, das Programm abwechslungsreich zu halten. Darum lädt sich Scheibe immer wieder neue Gäste ein. Auf diese Weise, möchte er das Publikum dazu annimieren, die Vorstellung auch mehrmals zu anzusehen. Gast des Premieren-Abends war die Berliner Neo-Schlagersängerin Ella Endlich, die gemeinsam mit Scheibe ihre Ballade „Gänsehaut“ zum Besten gab.

[singlepic id=1583 w=320 h=240 float=right]Bereits vor Showstart streift Mercedes Chenard mit Federboa bewaffnet durch das Publikum und bietet einen kleinen Vorgeschmack auf das kommende Treiben. Mit klimpernden Augen betört Sie die Gäste, nur um kurz darauf Ihre Arme derart zu verdrehen, dass Angst aufkommt, ob man Sie im Verlauf des weiteren Abends noch zu sehen bekommt. Doch wird kein Arzt benötigt, denn die Kanadierin ist eine Meisterin der Kontorsion. Und als ob das nicht bereits genug wäre, besitzt Sie darüber hinaus noch eine wunderbar jazzige Stimme.

Turnende Mafiosi und jonglierende Tangotänzer

Für die akrobatischen Akzente der Show zeichnen sich das Duo Strakhov sowie das Duo Trapeze verantwortlich. Das Duo Strakhov besteht aus den Zwillingsbrüdern Illya und Danylo. Als einziges Zwillingspaar Ihres Genres begeistern sie mit perfekter Körperbeherrschung, [singlepic id=1573 w=320 h=240 float=left]verpackt in einer wilden Ganovennummer im Stile der 1930er Jahre – Slapstick-Einlagen inklusive. Nicht nur Verfechtern des bayerischen Anti-Raucher-Gesetzes dürfte der Atem wegbleiben, wenn die beiden während der gesamten Nummer scheinbar ganz relaxed und genüsslich an einer Zigarette ziehen. Atemberaubend ist auch der Autritt des Trapez-Duos Mirja Jauhiainen und Sanna Kopr. Begleitet von Mark Scheibe an der Hammond-Orgel führen sie einen melancholisch monumentalen und sinnlichen Tanz in den Lüften auf.

Eine scheinbar klassischere Tanzdarbietung präsentieren Emily Weisse aus Frankreich und Menno van Dyke aus Holland mit Ihrer Nummer Juggling Tango. Was zunächst nach traditionellem Tango aussieht, entpuppt sich rasch als völlige Neuinterpretation dessen, was der Autor George Bernard Shaw als vertikalen Ausdruck eines horizontalen Verlangens bezeichnete. Eine Kombination aus Tangotanz und Jonglage, hat man sonst wohl auch noch nie gesehen.

Ein Akkordeon zum Verlieben

Heimlicher Star des Abends und Liebling des Publikums ist Amélie Venisse alias Mademoiselle Cerise. Wenn sie mit Puffärmelkleid oder ultrakurzem rotem Minikleid und Akkordeon, verkniffenem Gesichtsausdruck und scheinbar unfähig,[singlepic id=1585 w=320 h=240 float=left] Ihre Knie abzuwinkeln auf die Bühne starkst, bleibt keiner im Publikum ungerührt. Alleine das Auftreten der langbeinigen Akkordeonspielerin sorgt für Belustigung. Richtig grotesk wird es aber, wenn Mademoiselle Cerise mit starkem französischem Akzent einen Chanson über Masochismus präsentiert oder ein Akkordeonstücks plötzlich in einer urkomischen Trapeznummer ausartet. Ihre Stöhner, Seufzer und Lacher werden zum Running-Gag des Abends.

Mark Scheibes Wilde Bühne ist modernes, junges Varieté vom Feinsten. Viel Witz, viel Charme und viel zum Staunen. Die Show läuft bis zum 29. Januar 2011 nahezu täglich im Wintergarten. Karten sind ab 24,50 EUR unter der Tickethotline 030-588 433 oder unter www.wintergarten-berlin.de erhältlich.

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Martin Schlereth

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